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Das junge Mädchen 1975 - 1990

Die Karriere von Ilka Minor als eine Hochschaubahn der Gefühle – Höhen und Tiefen, kommen und gehen. Wie aus dem kleinen schweigsamen Mädchen die weltweite Nummer 1 der Co-Pilotinnen wurde…

Am Anfang steht Schweigen. In einem Kärntner Bergdorf lebt das kleine Mädchen Ilka, doch bis zum vierten Lebensjahr spricht es nicht. „Ich weiß nicht warum, ich kann mich nicht erinnern, aber mir wurde gesagt, dass ich bis zum vierten Lebensjahr kein Wort gesprochen habe Vielleicht wollte ich einfach nicht?“

Als Henning Solberg gefragt wird, was er an seiner Co-Pilotin gar nicht mag, antwortet er: „Auf den Verbindungsstrecken ist sie mir ein bisschen zu schweigsam.“

Manfred Stohl wiederum sagt: „In diesem Punkt gibt es wahrscheinlich niemanden, der besser zu mir passen würde.“ Negative Seiten fallen ihm partout nicht ein: „Wenn sich andere einen Tag vor der Rallye vorbereiten, hat Ilka schon Wochen davor damit begonnen. Sie ist höchst professionell, es gibt keine negativen Seiten. Außer vielleicht: Einmal mussten wir das Auto recht weit schieben, da hätte ich mir jemanden kräftigeren gewünscht. Aber selbst das stimmt so nicht, denn sie trainiert ja regelmäßig, ist topfit.“

Die frühen Jahre 1990 - 1998

Womit wir beim nächsten Stichwort sind: Der Hang zum Sich-selbst-quälen. Als blutjunge 15-jährige lernt sie an der HTL Ferlach den um fünf Jahre älteren Achim Mörtl kennen und verliebt sich in ihn. Mörtl möchte Rallyefahrer werden und hat einen Hang zu extremen Konditionsübungen. Während andere Pärchen den Abend im Kino verbringen, quälen sich Ilka und Achim im Fitnessstudio oder hängen in der Steilwand. Bei seiner Rallyepremiere ist Ilka als Freundin und Zuschauerin dabei, doch bei seiner zweiten Rallye wirft Mörtl das Auto mit der Beifahrerseite gegen einen Baum, der Co-Pilot kommt mit dem Schrecken davon, steigt aber trotzdem aus.

Mörtl erinnert sich: „Ilka hatte damals schon diese Tugenden wie Genauigkeit und Fleiß, so habe ich sie einfach zu mir ins Auto gesetzt.“ Beim Besichtigen wird ihr schlecht, doch bei ihrer ersten Ausfahrt im Renntempo liest sie perfekt aus dem „Gebetsbuch“. Die beiden pushen einander dermaßen, dass sich bald Erfolge einstellen. Die Beziehung jedoch bleibt sprichwörtlich auf der Strecke, sodass nach sieben Jahren die Trennung erfolgt.

Erste Erfolge, schwierige Jahre 1999 - 2001

Geblieben ist die Sucht nach dem Speed, Ilka sagt: „Ich habe noch nie Drogen genommen, für mich ist das Rallyefahren wie eine solche, wie ein Traum, man ist auf der Prüfung in einer anderen Welt.“ Sie wechselt zu David Doppelreiter ins Cockpit, fliegt mit ihm mehrmals von der Piste. 1998 kommt es zum ersten gemeinsamen Einsatz mit Manfred Stohl, in Neuseeland springt sie für dessen verletzten Stammbeifahrer Peter Müller ein. Ilka und Manfred – das war keine „Liebe auf den ersten Blick“, sondern vielmehr ein langsames Herantasten, ein Beschnuppern im Rahmen von Gelegenheitseinsätzen. 1999 etwa bestreitet Ilka in Griechenland und im Libanon zwei weitere Einsätze mit dem Wiener. Während er im Jahr 2000 als Gruppe N-Weltmeister Geschichte schreibt, nimmt Ilka auf dem „heißen Sitz“ seines Vaters Rudi Stohl Platz und fährt ÖM-Einsätze mit Markus Mitterbauer und Niki Schelle.

2001 finden Ilka Minor und Manfred Stohl dann endgültig zueinander – vier WM-Läufe stehen auf dem Programm. Doch die anfangs vorsichtige Annäherung der beiden führt bei der Akropolis-Rallye zu einem Härtetest für Ilka Minor, wie sich später herausstellte, sollte es nicht der erste seiner Sorte bleiben. Ilka erzählt: „In Athen gab es einen Showstart, danach sind wir mit normalen PKW nach Delphi gefahren – auf dem Weg dorthin kamen wir von der Strecke ab und überschlugen uns.“ Schmerzhafte Konsequenz: Bruch des Oberschenkels, noch in Griechenland wird operiert, der Knochen wird verschraubt, wenig später der Heimflug, im Lorenz-Böhler-Krankenhaus erhält Ilka Krücken, daheim hält sie es nicht aus: „Ich wollte möglichst schnell wieder ins Rallyeauto, habe recht bald zu trainieren begonnen. Man hat mir gesagt, dass ich den Oberschenkel mit 30 Kilogramm belasten darf.“ Allerdings ist die in Griechenland montierte Verschraubung weniger belastbar, die katastrophale Folge: „Im Fitnessstudio ist die Verschraubung gebrochen, ich habe mich zuerst nur schwindlig gefühlt, dann sah ich, dass der Knochen seltsam verbogen ist.“ Ilka muss erneut operiert werden, nach einem harten Rehabilitations-Training sitzt sie beim Saisonabschluss in Wales wieder neben Manfred Stohl im Rallyeboliden.

Der Aufstieg in die Oberliga 2002 - 2004

Im Jahr 2002 bestreiten Stohl und Minor die österreichische Rallye-Staatsmeisterschaft auf einem Ford Focus WRC – mit dem World Rally Car werden auch die WM-Läufe auf Zypern und in Wales absolviert. „Nebenbei“ werden noch zwei WM-Läufe in der Gruppe N in Angriff genommen – die Lieblingsrallye von Manfred Stohl in Neuseeland und die Australien-Rallye, bei der Stohl und Minor den Gruppe N-Sieg erringen können. Im Jahr darauf folgt ein kurzes Intermezzo als Hyundai-Werkspiloten – im OMV Hyundai Accent WRC starten Manfred Stohl und Ilka Minor bei der Akropolis-Rallye und in Deutschland, dazu kommen noch die WM-Läufe auf Korsika und in Wales, die mit einem Peugeot 206 WRC gefahren werden.

Zurück in die PWRC

2004 steht dann wieder ganz im Zeichen der Gruppe N respektive der PWRC, wie sie zu diesem Zeitpunkt bereits heißt. Das OMV World Rally Team setzt gleich drei Mitsubishi ein, neben Stohl/Minor sind auch der Finne Jani Pasonen und der Deutsche Sebastian Vollak mit von der Partie. Als bestes Ergebnis erringen Stohl/Minor in Neuseeland den zweiten Platz der Gruppe N. Lediglich in Griechenland und in Wales kehren die beiden in ein World Rally Car zurück, mit Bozian Racing wird ein Peugeot 206 WRC eingesetzt, die Ergebnisse stimmen optimistisch: Bei der Akropolis-Rallye glänzen Stohl/Minor auf Platz sechs, in Wales beendet man die Rallye auf Platz acht.

Aufstrebende Jungstars 2005 - 2006

Solchermaßen motiviert bildet man für 2005 das OMV Kronos World Rally Team – die belgische Rallyeschmiede Kronos Racing zählt zu diesem Zeitpunkt bereits zu den besten der Szene. Manfred Stohl und Ilka Minor sind jetzt die aufstrebenden Jungstars im Servicepark, sie fahren das gleiche Auto wie der neue Weltmeister Sebastien Loeb, ein Citroen Xsara World Rally Car. Ilka erinnert sich: „Natürlich war es die gleiche Fahrzeugtype, wobei jedoch Loeb das Werksauto fuhr und wir ein Kundenauto hatten.“ Beim Saisonauftakt in Monte Carlo belegen Stohl/Minor gleich einmal den guten sechsten Platz, zwischenzeitlich jedoch muss sich „Stohlito“ erst auf das Auto einschießen, so manches Setup-Rätsel will gelöst werden. Doch dann, beim sechsten Saisonlauf, sorgen Stohl und Minor für Aufsehen, Ilka erinnert sich mit einem Lächeln: „Auf Zypern hat es dann perfekt funktioniert, wir konnten den zweiten Platz und damit unsere beste Platzierung in der WRC belegen, nur einer war an diesem Wochenende schneller als wir: Sebastien Loeb!“ Nach einem fünften Platz in Wales landen Stohl und Minor beim Finale in Australien als Dritte noch einmal auf dem Podium.

Das beste Jahr

Für 2006 wird ein spezielles Paket geschnürt: Nach dem werksseitigen Rückzug von Peugeot Ende 2005 übernimmt Bozian Racing das Rallyeteam. Ilka erzählt: „Es war ein großer Vorteil, dass wir uns quasi aus dem Fundus des ehemaligen Peugeot-Werksteams frei bedienen konnten. Das war sicher ein Glücksgriff – zumal heute auch bekannt ist, dass Manfred mit dem Peugeot 307 WRC so gut zurechtkam, wie mit keinem anderen Auto – er sagt heute noch, der 307 sei sein Lieblingsauto.“ Dazu kommt eine besonders gute, geradezu freundschaftliche Beziehung zu Henning Solberg, der den zweiten Wagen des Teams pilotiert. Bei der „Monte“ verpassen Stohl und Minor als Vierte das Podium, doch schon bei der dritten Saisonrallye in Mexiko gelingt den beiden der dritte Platz. Im Laufe der Saison folgen noch zwei fünfte und zwei vierte Plätze – doch der große Coup folgt am Ende des Jahres: In Australien, Neuseeland und Wales können Manfred Stohl und Ilka Minor zweimal als Dritte und beim Finale in Wales sogar als zweite das Podium stürmen. In Wales spüren die österreichischen Journalisten dieses „Flimmern in der Luft“, denn noch nie zuvor kam das OMV-Duo dem ersehnten ersten WRC-Sieg näher als an diesem Sonntag: An der Spitze kann Marcus Grönholm im Werks-Ford zunächst den Vorsprung mühelos verwalten, doch dann, auf den letzten Sonderprüfungen stellen sich Probleme an seinem Fahrzeug ein. „Mit ein bisschen Glück hätten wir damals auch den Sieg feiern können – doch schließlich konnte Marcus verdienterweise den Sieg retten und für uns war es auch so einer der schönsten Tage in der Weltmeisterschaft.“ Die zahlreichen Podiums- und Punkteränge machen sich bezahlt: Am Ende belegen die beiden den vierten WM-Endrang, für beide sollte es – bislang – die mit Abstand beste WM-Platzierung bleiben…

Die Enttäuschung 2007 - 2008

2007 wechselt man erneut Fahrzeug und Team. Ilka erinnert sich: „Es gab die Befürchtung, dass man bei Bozian mit dem Peugeot den Anschluss verlieren könnte – schließlich blieb der 307 auf dem Stand Ende 2005, da der Wagen nach dem WM-Ausstieg der Franzosen nicht mehr weiterentwickelt wurde. Zugleich gab es die Möglichkeit zu Kronos Citroen zurückzukehren, der Xsara war damals einfach das überlegene Weltmeisterfahrzeug.“ In Österreich malen sich die Zeitungen aus, welche Heldentaten „Stohlito“ mit dem „Weltmeisterauto“ vollbringen werde, es herrscht Aufbruchstimmung, der erste WRC-Sieg steht, als große Hoffnung, natürlich ebenfalls im Raum. Doch es kommt anders: Manfred Stohl ringt wie schon 2005 um Setup-Lösungen, der Xsara ist für ihn weitaus weniger unkompliziert als der Peugeot – so wird 2007 letztendlich für alle Beteiligten zu einer großen und bitteren Enttäuschung…

„International abgeschlossen“

So herrscht nicht nur in Österreich Bestürzung, als der über Jahre hinweg aktive Sponsor OMV den vielzitierten Stecker zieht. Stohl bedankt sich für die jahrelange Unterstützung und kümmert sich um seine Rallyeschmiede Stohl Racing. Auch für Ilka wird es ein ruhiges Jahr – immerhin werden Stohl und Minor vom Veranstalter der zur IRC zählenden Portugal-Rallye eingeladen, einen Peugeot 207 S2000 zu pilotieren. „Manfred kannte diesen Fahrzeugtyp noch nicht, er musste sich während der Rallye auf den S2000 einschießen“, erzählt Ilka. Am Ende des Jahres feiern Stohl und Minor bei der Waldviertel-Rallye mit einem mit Erdgas betriebenen Mitsubishi zunächst einen „Heimsieg“, doch dieser wird wenig später wegen einer unabsichtlichen Reglementwidrigkeit aberkannt. 2009 bleibt es ruhig – Ilka Minor gibt offen zu: „2009 habe ich mit meiner internationalen Rallye-Karriere abgeschlossen. Ich dachte mir: Okay, dann bleibe ich jetzt eben in Österreich und fahre hier ein paar Rallyes.“ Ein Highlight jedoch ergibt sich, als Stohl Racing zur „Rally of Nations“ in Mexiko eingeladen werden. Stohl und Minor zünden einen Mitsubishi Evo IX, dazu lädt der Wiener den zu diesem Zeitpunkt ebenfalls wenig beschäftigten Andi Aigner ein, den zweiten Wagen, ein älteres Modell zu pilotieren. In einer triumphalen Fahrt beenden Stohl/Minor und Aigner/Weißengruber die Rallye auf den Plätzen eins und zwei…

Freud & Leid 2009 - 2010

Einen Lichtblick stellt für Ilka am Ende des Jahres 2009 die Nachricht dar, dass Manfred Stohl im Jahr darauf die komplette ÖM mit einem Erdgas-Boliden bestreiten wird und er natürlich wieder mit „seiner Ilka“ fahren möchte. Doch dann, kurz vor Weihnachten 2009, traut Ilka ihren Augen nicht: Auf dem Handy eine SMS von Henning Solberg – er habe für die WM-Saison 2010 das Budget beieinander und würde gerne mit Ilka auf dem „heißen Sitz“ antreten. Ilka erzählt mit einem breiten Lächeln: „Das war das schönste Weihnachtsgeschenk, das ich hätte bekommen können – natürlich habe ich zugesagt, denn eine solche Chance musst du nützen.“

So bestreitet Ilka Minor im Jahr 2010 ein bunt gemischtes Programm: Mit Henning Solberg bei den Schotterrallyes der WM im Ford Focus WRC, bei den Asphaltläufen im Ford Fiesta S2000. Dazu die Einsätze mit Manfred Stohl in der Rallye-ÖM. Die Zeit vergeht wie im Flug – bis zur ÖM-Rallye in Admont. Dort wird ihr ein an sich recht harmloser Unfall des Erdgas-Piloten zum Verhängnis: „Wir sind auf einen Erdhügel aufgelaufen, es war wie eine Kompression, mich hat es in den Sitz gedrückt. Zuerst habe ich nichts bemerkt – ich bin aus dem Auto gestiegen und hatte eigentlich nur ein komisches Gefühl. Weil im Anschluss gleich die Frankreich-Rallye mit Henning auf dem Programm stand, ließ ich mich zur Sicherheit im Spital untersuchen. Dann wurde ich wohl kreidebleich im Gesicht, denn die Ärzte teilten mir mit, dass ich einen Wirbelbruch erlitten habe und ich mich zuerst einmal sofort niederlegen solle.“ Der Wirbelbruch müsse verschraubt werden, zu diesem Zwecke sucht Ilka das Wiener Spital SMZ Ost auf: „Dort hat mich Dr. Michael Kilga, den ich kannte und der sich im Stilo-Cup selbst als Rallyepilot versuchte, eigenhändig operiert. Er hat das höchst professionell getan, ich bin ihm heute noch zu Dank verpflichtet.“ Wieder einmal muss Ilka Minor die Rehabilitation antreten – in einem Fitnessstudio lernt sie Melanie Brandstätter kennen, die mit ihr das Training vornimmt. Ilka erzählt: „Sie hat sich viel Zeit für mich genommen und mir sehr geholfen, so sind wir gute Freunde geworden, wir trainieren heute noch gemeinsam.“ Brandstätter vertritt Flexyfit, einen Klub, der in ganz Österreich mit verschiedenen Fitnessstudios kooperiert, sodass auch Reisende an jedem Ort den gewohnten Standard vorfinden. Für diese Plattform setzt sich Ilka in der Folge ein – in Rekordzeit schafft die kämpferische Kärntnerin ihre Rehabilitation, sodass sie beim Auftakt der Saison 2011, bei der „Monte“ bereits wieder neben Henning Solberg sitzt und aus dem „Gebetsbuch“ liest…

Comeback und große Erfolge 2011 - 2012

Nachdem die OMV auch das Erdgas-Projekt beendet hat, bleibt es bei Manfred Stohl lediglich bei einem Einsatz seines in der IRC eingesetzten Subaru bei der Judenburg-Rallye. Doch dann wird das Erdgasprojekt vom Fachverband Gas & Wärme wiederbelebt – Manfred Stohl und Ilka Minor feiern bei der Schneebergland-Rallye ein grandioses Comeback, bejubeln den Gesamtsieg. Gegen Ende des Jahres erlebt Ilka Minor wieder einmal in Wales eine Sternstunde:

Sie wird mit der prestigeträchtigen Michael Park Trophy für Beifahrer ausgezeichnet...

...als erste Frau befindet sie sich damit in einer kleinen, illustren Herrenrunde, zu den bisherigen Ausgezeichneten gehört auch Daniel Elena, der Co-Pilot von Sebastien Loeb. „Der Preis hat mich sehr geehrt, dass meine Arbeit, die ich manchmal durchaus auch selbst anzweifle, international honoriert wird“, freut sich Ilka Minor. Quasi zum „Drüberstreuen“ feiern Henning Solberg und Ilka in Wales einen tollen dritten Platz…

Mit dem neuen Go Fast World Rally Team starten Solberg und Minor 2012 in Monte Carlo und Schweden – doch dann gibt es Probleme mit dem Sponsor, immer wieder hofft Solberg auf eine Fortsetzung des Programms, jedoch vergeblich. Ilka startet mit Stohl in der ÖM und muss auch international nicht lange Trübsal blasen. Sie steigt in der laufenden Saison in das IRC-Projekt von Stohl Racing ein, sitzt neben Andi Aigner im R4-Subaru. Ilka erzählt: „Bei der Barum-Rallye ist es sehr gut gelaufen, doch dann sind wir leider knapp am ersehnten Production Cup vorbeigeschrammt.“ Unverhofft kommt oft – eine Floskel, die zumindest Ilka Minor getrost unterschreiben würde. Denn im Sommer wird sie von Denis Giraudet kontaktiert. Der Co-Pilot des jungen Russen Evgeny Novikov zog sich nach einem Jump in Finnland Wirbelverletzungen zu, Ilka soll eine Rallye mit Novikov bestreiten. Bei der Wales-Rallye lernen die beiden einander kennen und schätzen. Ilka schwärmt: „Er ist ein Ausnahmetalent, er lenkt nur einmal ein, er muss nicht nachkorrigieren, so habe ich das bislang noch nicht erlebt – und ich saß bei sehr guten Piloten im Cockpit.“ Novikov wiederum spürt: „Ilka ist die erste, die bei mir im Cockpit sitzt und keine Angst hat, für dieses Vertrauen möchte ich mich bedanken.“ So engagiert der Russe die Österreicherin auch für die verbleibenden drei WM-Rallyes der Saison 2012, der positive Einfluss der professionellen Co-Pilotin lässt nicht lange auf sich warten: Auf Sardinien landen die beiden als Zweite auf dem Podium.

Der Traum 2013 - 2014

Dieser Traum manifestierte sich für Ilka Minor ganz klar in der Person Evgeny Novikov – rückblickend ist Ilka davon überzeugt, dass sie mit keinem anderen Piloten dem Traum von der Karriere als erfolgreiche Werkspilotin in der Rallye-Weltmeisterschaft so nahe kam wie mit Evgeny Novikov. Doch das Jahr 2013 sollte bislang das einzige bleiben, das Ilka Minor tatsächlich als Werkspilotin bestritten hat.

Die Saison beginnt gut: Bei der Rallye Monte Carlo lassen Evgeny und Ilka sogleich mit Bestzeiten aufhorchen – doch dann reißt sich der Russe ein Rad aus, es gibt keine Zielankunft. Ilka erinnert sich: „Evgeny musste mit viel Kritik leben, er hatte das Image eines Crashpiloten – dabei hatten wir in der Saison 2013 sage und schreibe elf Zielankünfte bei 13 WM-Rallyes.“

Doch im Verlauf der Saison wirkt Novikov seltsam schaumgebremst – zwar werden in Argentinien und Portugal zwei vierte Plätze sowie in Frankreich und Spanien jeweils Platz fünf erreicht, doch ein erneuter Podiumsplatz bleibt dem russisch-österreichischen Duo verwehrt. Ilka denkt nach – und sagt: „Evgeny ist aufgrund seiner Geradlinigkeit gescheitert – leider konnte unser gemeinsamer Traum nicht vollendet werden. Unsere Freundschaft wurde nicht gern gesehen - aber ich bin überzeugt, dass wir beide ein gutes Team gewesen wären, um größere Erfolge in der WRC zu feiern.“ Immerhin: Bei der Moskau Rally Masters Show können Evgeny und Ilka in einem Ford Focus WRC den Sieg erringen…

Zu einem weiteren ungewöhnlichen Einsatz kommt es an der Seite des damaligen Citroen-Werkspiloten Mikko Hirvonen. Ilka erinnert sich: „Wir sind bei der Legends Boucles de Spa mit einem historischen Citroen Visa Gruppe B-Auto gefahren – doch schon auf der ersten Sonderprüfung ist der Wagen abgebrannt. Davor, bei der Schweden-Rallye, haben Mikko und sein Copilot Jarmo Lehtinen noch gescherzt, dass Jarmo zu groß sei und er nicht in den Visa reinpassen würde und dass daher ich einspringen soll. Und dann ruft Mikko tatsächlich an und erzählt mir, dass Jarmo Magenprobleme hat und fragt, ob ich kurzfristig einspringen kann.“ Lachend fügt Ilka hinzu: „Da habe ich zunächst einmal nachgefragt, ob er mich auf die Schaufel nehmen möchte…“

Einen weiteren „Sondereinsatz“ gibt es mit der deutschen Reporterlegende Reiner Kuhn, die gerne auch auf den Namen „Kuhnqvist“ hört. Ilka berichtet: „Wir sind mit einem VW Polo R1 einen Lauf zum russischen Dmack Rally Cup gefahren. Wir sind ganz gut dabei gelegen, doch auf der letzten Prüfung ist uns die Antriebswelle gerissen. Bis dahin jedoch hat sich Reiner brav angestellt.“

Als dann am Saisonende die Rallye Wales GB auf dem Programm steht, weiß Ilka bereits, dass es sich um den letzten Einsatz mit Evgeny Novikov handelt: „Als wir uns voneinander verabschiedet haben, habe ich gewusst, dass es das Ende ist.“

Doch längst war klar, dass Ilka auf der Bühne der Rallye-Weltmeisterschaft nicht komplett verschwinden wird: „Ich hatte immer Kontakt mit Henning Solberg – und ich wusste bereits, dass wir 2014 einige WM-Einsätze gemeinsam bestreiten werden.“

Wieder privat

Als Privatiers bestreiten Henning Solberg und Ilka Minor sechs WM-Rallyes und erreichen dabei fünf Top 10-Platzierungen. Ilka sagt: „Viel mehr kannst du als privates Team ohnehin nicht erreichen.“ In Wales lassen Solberg und Minor mit einer Bestzeit sowie den SP-Platzierungen drei und vier aufhorchen. Ilka erinnert sich: „In Wales waren wir gut unterwegs – doch dann hatten wir ein Benzinleck.“

Zur Mitte des Jahres eröffnet sich für Ilka ein neues, für sie ganz besonders interessantes Projekt: „Raimund Baumschlager hat sich bei mir gemeldet und gefragt, ob ich Interesse habe, an einem Aufbauprojekt mit einer sehr jungen italienischen Pilotin mitzuwirken.“ Tamara Molinaro war zu diesem Zeitpunkt gerade erst 16 Jahre alt, für Ilka eine willkommene Herausforderung: „Das war etwas Neues für mich – wir hatten einige Testtage und sie sah sehr vielversprechend aus. Es wurde als längerfristiges Projekt ausgelegt, um ihr Zeit zu geben. Der Unterschied zu meinen bisherigen Projekten bestand darin, dass sie so jung war und man nicht wissen konnte, wie sie reagiert.“

Ein ganz anderes Thema war der einmalige Einsatz mit Reini Sampl. Der seit einem Unfall an den Rollstuhl gefesselte frühere Skirennläufer, der sich heuer zum Champion der neuen M1 Rallye-Masters krönen konnte, hat Ilka Minor für einen Einsatz bei der Rallye Weiz engagiert. In der Steiermark rammte man einen Strommast, womit der Einsatz ein jähes Ende fand.

Am Ende der Saison 2014 hat Ilka die Gelegenheit, in einen weiteren für sie neuen Bereich „reinzuschnuppern“. Bei der Waldviertel-Rallye fungiert Minor zum ersten Mal als Fahrervertreter und blickt damit hinter die Kulissen der Österreichischen Rallye-Staatsmeisterschaft. Im Jahr darauf wird Ilka erneut im Waldviertel diese Funktion ausüben…

Neue Aufgaben - 2015

Doch die Saison 2015 erweist sich von Beginn an als „Seuchenjahr“. Mit Henning Solberg gibt es große Pläne, doch letztendlich nur einen geringen Output. Zwar starten die beiden bei der Rallye Monte Carlo und auch bei der Schweden-Rallye, ansonsten jedoch wird bei vielen WM-Läufen genannt, um dann den Start zurückzuziehen. Ilka erinnert sich nur ungern an die schwierige Zeit: „Es war ein Auf und Ab, Henning kämpfte tapfer um Sponsoren und musste viele Rückschläge hinnehmen. Ich wiederum habe mich auf dieses Projekt konzentriert und konnte daher niemandem anderen zusagen.“

Zudem scheint am Beginn der Saison auch das Projekt mit Tamara Molinaro im Ungewissen, erst Mitte des Jahres kommt es zu weiteren Testeinsätzen.

Wie schon im Vorjahr gastiert Ilka Minor bei der Rallye Weiz in der heimischen Staatsmeisterschaft. Mit dem PWRC-Weltmeister 2008, Andi Aigner startet sie in einem Renault Clio R3 – doch wie im Vorjahr sieht Ilka keine Zielflagge: „Wir sind leider ohne Bremsen abgeflogen.“

So gestaltet sich das Jahr 2015 zu einem Tiefflug, Ilka sieht ihre internationale Karriere zum ersten Mal in Gefahr: „Wenn alle Cockpits besetzt sind, macht man sich schon Gedanken, ob das nun das Ende war oder ob es doch noch weitergeht.“

Der freie Terminkalender sorgt aber auch für neue Möglichkeiten: „Ich habe beschlossen, eine Ausbildung als Personal und Functional Fitness Trainer zu absolvieren.“ Von Ende April bis Mitte Oktober absolviert Ilka einige mehrwöchige Blockeinheiten, gerne nimmt sie an heftigen Bewerben, darunter sogenannte „Wildsauläufe“ durch Wald und Schlamm teil. Die Trainer-Ausbildung betrachtet Ilka als „drittes Standbein“.

Als sie am Ende des Jahres gemeinsam mit ihrer Trainerin Melanie Brandstätter den Silvesterlauf absolviert, spürt Ilka bereits jenen Aufwind, den ihre internationale Rallyekarriere erfahren wird. Zumindest weiß sie am letzten Tag dieses schwierigen Jahres, dass sie 2016 einige Einsätze in der Weltmeisterschaft absolvieren wird – und zwar erneut an der Seite von Henning Solberg. Ilka erzählt: „Henning und mich verbindet seit 2010 eine gute Freundschaft – wir waren stets in Kontakt und ich habe immer gehofft, dass ich mit ihm weitermachen kann und dass es Henning gelingt, für 2016 einige Einsätze aufzustellen. Bei dem Silvesterlauf wusste ich zumindest einmal, dass wir 2016 ein paar Rallyes bestreiten werden.“

Von 0 auf 100 - 2016

Was Ilka am Ende der Saison 2015 jedoch nicht wissen konnte: Noch in der zweiten Jänner-Hälfte des neuen Jahres wird sie quasi mit Angeboten „gestürmt“. Ilka lacht: „Gestürmt würde ich nicht sagen, aber es hat tatsächlich zunächst einmal Henning angerufen und für einige WRC-Einsätze angefragt. Wenig später kam schon die nächste Anfrage – und die war sehr interessant.“

Angerufen hat der erfolgreiche tschechische Rallyepilot Martin Prokop. Sein Projekt bringt Ilka Minor in eine ihr bislang völlig unbekannte Nische des Offroad-Motorsports: Prokop will 2017 an der weltberühmten Rallye Dakar teilnehmen – beim legendären Wüstenritt soll Ilka nicht nur das Roadbook, sondern auch den Kompass zücken. Ilka erklärt: „Martin hat mich gefragt, ob ich 2017 mit ihm die Dakar bestreite, Projektbeginn war jedoch bereits Mitte 2016.“

Zunächst jedoch stehen fünf WRC-Einsätze mit Henning Solberg auf dem Programm. Doch bald schon wird klar, dass die aktuelle technische Entwicklung in der Weltmeisterschaft das Leben der Privatiers alles andere als erleichtert. Ilka erklärt: „Wir haben bald gemerkt, dass sich das Kunden-WRC wie eine alte Dame anfühlt. Es ist schwierig – von der aktuellen WRC-Generation standen nicht mehr viele Autos zur Verfügung, weil sich die Teams bereits voll auf die Entwicklung der neuen 2017er-Generation konzentriert haben. Du bist somit als Privatier quasi automatisch in die zweite Reihe versetzt worden – eine gute Platzierung war nur noch dann möglich, wenn es bei den Werksteams einige Ausfälle zu beklagen gab.“

Um diese Entwicklung abzufangen, wechselt Henning Solberg bei der legendären Finnland-Rallye auf einen Ford Fiesta R5, um damit in der WRC2 Spitzenplätze einzufahren. Doch der Einsatz war nicht von Erfolg gekrönt: „Zum einen hatten wir Ausfälle der Servolenkung, die dann jeweils schlagartig nicht mehr funktionierte – zum anderen hatte Henning ganz einfach nicht den richtigen Fahrstil für ein R5-Auto.“

Absolutes Neuland gab es schließlich ab dem Hochsommer zu bestaunen. Gemeinsam mit Martin Prokop absolvierte Ilka die Baja Polen als Test für die Dakar 2017. Ilka erinnert sich an die erste Marathon-Rallye ihrer Karriere: „Das war ein kompletter Neubeginn! Wir haben uns aber ganz gut geschlagen und konnten den sechsten Gesamtrang erzielen, obwohl uns auf der 175 Kilometer langen SP2 ab Kilometer 80 die Gegensprechanlage ausgefallen ist und ich mittels Handzeichen navigieren musste.“

Später im Jahr werden weitere Wüstentests absolviert – nach der Rallye Liezen kommen Martin Prokop und dessen Freundin nach Kaprun, um dort gemeinsam mit Ilka eine Woche lang ein spezielles Fitnesstraining zu absolvieren. Ilka schmunzelt: „Wir verstehen uns gut, es ist eine gemütliche, aber auch sehr fokussierte Atmosphäre.“ Das ist wohl auch die Grundvoraussetzung, um als Team in der Wüste bestehen zu können…

Was Ilka an der neuen Umgebung ganz besonders gefiel: „Das Team von Martin ist ein kleines, aber feines – es ist beinahe wie eine Familie, wenn dann alle im Servicepark schlafen, das wirkt sich dann positiv auf das Teambuilding aus. Man sitzt beisammen beim Grillen, es ist wirklich so etwas wie eine Lagerfeuerromantik. Und das gefällt mir.“

Für einen randvollen Terminkalender 2016 sorgt ab Mitte Mai das Projekt rund um Tamara Molinaro. Dreimal starten Tamara und Ilka im Opel Adam R2 als Vorausauto, bei der Rallye Liezen erfolgt der erste Wettbewerbseinsatz in der ORM, wenig später wird die deutsche 3 Städte-Rallye in Angriff genommen. Ilka berichtet: „Die Einsätze waren gut. In Liezen konnten wir den 13. Gesamtrang sowie Platz drei in der Klasse erringen, bei der 3 Städte-Rallye landeten wir auf Gesamtrang 23 von 139 Teilnehmern, in der Klasse wurden wir Zweite und in der Division kamen wir auf Platz drei. Tamara fährt gut – zumal Asphalt nicht ihr bevorzugter Untergrund ist. Sie hat ganz sicher ein großes Potential.“

Bei der Waldviertel-Rallye navigiert Ilka ihre junge Pilotin durch deren Lieblings-Terrain, auf den Schotterstraßen der W4-Rallye belegen die beiden Platz 30. Gesamt und Rang 7 in der 2-WD-Wertung.

Dakar und Personal Training - 2017

Für 2017 steht ein Motto bereits fest – denn noch vor dem Jahreswechsel heißt es: „Ab in die Wüste!“