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Gute Saison ausklingen lassen

Eine wirklich gute Saison – ist das wie ein wirklich guter Wein? Vielleicht! Bei Ilka Minor war es ein sensationelles Ergebnis beim WM-Comeback mit Henning Solberg, der in Spanien dem Asphalt näherkommen wollte, dies aber aufgrund von Pech nicht wirklich konnte. 2018 brachte für Ilka auch die Begegnung mit Johannes Keferböck und die Freude an seiner steilen Lernkurve auf dem Weg zum Vizemeister. Und: Kurzfristig die Kooperation mit Eyvind Brynildsen. Dreimal stimmte die Chemie – das weckt die Vorfreude auf 2019...

Die spanischen Rallyefans erwarteten bei ihrer Rally RACC Catalunya einen Henning Solberg, der bei seinem WM-Comeback auf türkischem „Prügel-Schotter“ kurzfristig vom geplanten Ford Fiesta auf einen Skoda Fabia R5 wechselte und mit dem für ihn ungewohnten Fahrzeug trotz längerer Pause das Feld der WRC2-Autos nicht nur dank seiner umsichtigen Fahrweise, sondern auch „auf der Uhr“ im Griff hatte, wobei auch das untertrieben ist – in guter Erinnerung wird Ilka Minor wohl den Moment behalten, als sie dem verdutzten norwegischen Charakterkopf den Vorsprung auf Jan Kopecky gleich fünfmal sagen musste, weil es der 45-Jährige einfach nicht glauben konnte...

Dass sich Henning bei der spanischen Mixed Surface-Rallye von der ungewohnten Rolle des Dominators verabschieden muss, war dem norwegisch-österreichischem Duo sonnenklar. Schließlich spielt der Untergrund im Rallyesport eine entscheidende Rolle – und Henning Solberg gilt wie viele Skandinavier als klar definierter Liebhaber des losen Untergrunds, zudem lag seine letzte Asphaltrallye mehr als sechs Jahre zurück, wobei die Rallye Monte Carlo eigentlich alles andere als eine typische Asphaltrallye ist. Daher absolvierten Henning und Ilka bereits am Montag vor der Rallye einen Test auf Asphalt: „Wir hatten eine gute, repräsentative Strecke zur Verfügung und konnten auch ein super Asphalt-Setup beziehungsweise Trocken-Setup erarbeiten.“ Dass Ilka das „Trocken-Setup“ betont, hat einen guten, in diesem Fall eigentlich schlechten Grund. „Auch in Spanien regnet es manchmal – unser Pech bestand darin, dass es ausgerechnet am Samstag regnete, an dem wir von unserem Trocken-Setup profitieren hätten können.“

Eröffnet wurde das spanische Rallye-Festival am Donnerstagabend mit einer Zuschauerprüfung in Barcelona. Die Bezeichnung „Festival“ verdient diese Rallye mit Sicherheit, Ilka gerät beim Thema Spanien und Fans ins Schwärmen: „Es waren echte Zuschauermassen entlang der Sonderprüfungen – die Spanier waren schon immer rallyeverrückt, außerdem ist die Weltmeisterschaft seit dem Vorjahr deutlich spannender als die Jahre davor.“


Dank an die Medienvertreter


Schon im Vorjahr bot die WRC all das, was in den Jahren der Loeb- und der Ogier-Dominanz lediglich in den Wunschträumen der Rallye-Forenphilosophen existiert hatte: Unterschiedliche Sieger, alle vier Hersteller siegfähig, Entscheidung erst beim Finale. Die Saison 2018 war wieder besser, sicher auch dank des märchenhaften Sieges von Sebastien Loeb, unter dessen Zeichen die große Spielklasse am Wochenende stand.

Es ist also, salopp formuliert, die absolute „Einserware“, welche der WRC-Promotor den weltweiten Medien bieten kann. Doch trotz aller Spannung erlebt die Rallye-WM keinen globalen Boom, in manchen – im eigenen „Factbook“ als „Key-Market“ bezeichneten Ländern wie Deutschland ist die WRC in den Tageszeitungen ein seltenes Pflänzlein geblieben, den vom Promotor angebotenen Pay-Content nutzen in erster Linie die eingeschworenen Rallye-Liebhaber. Auch in Österreich ist eine ständige Präsenz der WRC in den Tageszeitungen längst keine Selbstverständlichkeit mehr, wobei in den Redaktionen der Kronen Zeitung, der Kleinen Zeitung und des ORF darauf geachtet wird, dass der Rallyesport präsent bleibt. „Unsere Präsenz ist natürlich vom restlichen Tagesgeschehen abhängig, aber auch davon, welcher Redakteur im Einsatz ist. Da habe ich das große Glück, dass Christian Mayerhofer für die auflagenstärkste Wien-Ausgabe der Kronen Zeitung tätig ist und dass er ein großes Herz für Rallye hat.“

Christian Mayerhofer erfreut als sonniges Gemüt mit seiner vom Herzen kommenden Begeisterung für die Leistungen aller SportlerInnen – die Liebe zum gesamten Motorsport entflammte in ihm beim Vertiefen in die Materie namens Rallye. Ein Vertiefen, das weit über das Einlesen hinausging. „Sein Racer-Herz ist groß“, sagt Ilka. „Er ruft mich regelmäßig an, erkundigt sich schon im Vorfeld der Rallyes – ich denke, es ist am Ende einer Saison auch mal angesagt, einen Dank auszusprechen. Denn Berichte mit großem Foto und dergleichen sind in der Nischensportart Rallye eben wirklich keine Selbstverständlichkeit mehr. Dieser Dank gilt allen, die sich um die Präsenz des Rallyesports in ihrem Medium bemühen und natürlich auch den Fachmedien, ohne die vieles gar nicht möglich wäre“, fügt Ilka hinzu. Christian Mayerhofer hat vor vier Jahren in einem unentgeltlichen Gastkommentar auf motorline.cc eine Liebeserklärung an den Rallyesport abgegeben, die an den Sonderprüfungen erlebte Faszination habe in ihm die Lust geweckt, auch andere Motorsportarten kennen- und lieben zu lernen...

Asphalt-Teil in Schotter-SP – plötzlich NULL Optimierung: „Spürt man!“


Eine „wahre Liebe“ ist wie erwähnt die Beziehung vieler Skandivaier mit dem Schotter. Die Spanien-Rallye widmete sich am Freitag dem losen Untergrund. Ilka Minor berichtet: „Es lief gut. Die Strecken waren trocken, die Temperaturen schön warm. Auch die Zeiten haben für uns gepasst.“ Auf der 38,5 Kilometer langen SP4 „La Fatarella-Vilalba“ markierten Henning Solberg und Ilka Minor die viertschnellste Zeit der WRC2 – mit gemessen an der Distanz winzigen 3,9 Sekunden Rückstand auf Petter Solberg. Der Bruder von Henning pilotierte einen der neuen VW Polo GTI R5.

Dabei wäre der Rückstand wohl noch marginaler gewesen, wenn diese 38 Kilometer ausschließlich auf Schotter gefahren würden. Ilka sagt: „Spanien ist halt eine Mischrallye und auf dieser Prüfung kam ab Kilometer 9 eine sechs bis sieben Kilometer lange Asphaltstrecke.“ Für Henning wohl noch mehr Herausforderung als mit Asphalt-Setup, weil wegen der Optimierung auf Schotter noch weniger Grip vorhanden ist? Und: Spürt Ilka mit ihren mehr als 100 WM- sowie insgesamt über 250 Rallyes an Erfahrungsschatz, wenn dann auf dem Asphalt-Teil der Strecke quasi das Gegenteil der sonst stets angestrebten Optimierung vorherrscht? Ilka nickt: „Das spürt man. Weil das Auto rutscht und es sich 'schwammig' anfühlt, es ist eben auf Schotter getrimmt. In dieser Phase ist es extrem wichtig, dass man die Reifen am Leben erhält und man sich nicht zu viel des Belags wegschrubbt.“

Im zweiten Durchgang am Freitagnachmittag stellten sich leichte Probleme mit dem Differenzial ein, da musste Henning auf der zweiten „La Fatarella-Vilalb“ etwas zurückstecken. In der WRC2-Wertung belegten Solberg/Minor mit rund einer Minute Rückstand Platz sieben, vorne lagen Camilli/Veillas im VW Polo GTI R5 exakt 11,8 Sekunden vor Rovanperä/Halttunen (Skoda Fabia R5) und Solberg/Engan (VW Polo GTI R5). Ilka: „Der Polo lief ausgezeichnet – das war schließlich erst der erste echte Wettbewerbseinsatz...“

Am Samstag sorgte der erwähnte seltene Spanienregen dafür, dass Solberg/Minor keine „Heldentaten“ vollbringen konnten respektive wegen der suboptimalen Voraussetzungen auch gar nicht vorhatten. Am Ende des Tages belegten die beiden mit 3:33 Minuten Rückstand Platz sechs der WRC2.

Schweden-Rallye 2019 schon fixiert

Auch am Sonntagvormittag waren dem Duo im schneeweißen Skoda Fabia R5 die angestrebten wirklich optimalen Bedingungen offenbar nicht vergönnt: „Im ersten Durchgang war das Setup noch nicht optimal. Das hätte im zweiten Durchgang gepasst – doch da haben wir uns bei der Reifenwahl vertan, denn die waren für diese Bedingungen zu weich.“

Schließlich konnten Henning Solberg und Ilka Minor die Spanien-Rallye auf Platz sechs der WRC2 beenden – im Gesamtklassement bedeutete das Rang 17. Im Vorfeld deutete Henning an, dass er seinen Bruder unbedingt schlagen wolle. Petter Solberg und Veronica Engan (VW Polo GTI R5) standen neben Kalle Rovanperä und Jonne Halttunen sowie Jan Kopecky und Pavel Dresler (beide Skoda Fabia R5) als Drittplatzierte auf dem WRC2-Podium. Ilka: „Petter konnten wir auf keiner Prüfung schlagen – doch sein Polo lief wirklich prächtig und wir hatten wie erwähnt selten optimale Voraussetzungen.“ Die fehlende Vertrautheit auf festem Untergrund könnte dazu führen, dass Henning und Ilka heuer im Rahmen einer Asphaltrallye noch einmal ins Cockpit steigen – ansonsten steht die Schweden-Rallye 2019 bereits als Fixpunkt im Kalender des Duos.

Saisonbilanz 2018: Wenn die Chemie dreimal stimmt

Ein kompaktes Saison-Resümee zieht Ilka Minor richtig gut gelaunt – zu Recht. Denn 2018 war ein gutes, erfolgreiches und lehrreiches Jahr, und das gleich auf mehreren Ebenen. Ilka sagt: „Mir ist heuer gemeinsam mit Henning die Rückkehr in die Weltmeisterschaft gelungen - in der Türkei waren wir die Schnellsten im WRC2-Feld, auch ohne WRC2-Punkte, dafür gabs ja als Gesamt-Sechste mächtig WRC-Punkte. Mit Johannes Keferböck waren wir in Österreich erfolgreich, haben mit dem Vizestaatsmeister das Maximalergebnis erringen können – in seiner ersten ORM-Saison seit zehn Jahren – und mit immer noch steigender Lernkurve. Spannend!“

Aller guten Dinge sind jedoch bekanntlich drei – mit Eyvind Brynildsen hatte Ilka heuer relativ unverhofft den ersten Kontakt, die gemeinsam absolvierte ERC-Rallye in Lettland bewertet Ilka durch die Bank positiv: „Das war ein super Einsatz mit ihm! Er ist ein guter Fahrer – aber er ist eben auch ein guter Typ!“ Den heftigen Abflug erwähnt Ilka nicht. Vielleicht deshalb, weil für Kooperationen über blinde Kuppen in Highspeedkurven das nach einem kurzfristigen, zeitlich limitierten Kennenlernen sogleich vorhandene gegenseitige Vertrauen jener Faktor ist, auf den es ankommt?

Text: Michael Noir Trawniczek