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Rallye Dakar: Bericht

01. bis 14. Jänner 2017
Stnr. 321: Martin Prokop (CZE)/Ilka Minor (AUT) Ford F150 Raptor, Platz 11

Trotz „Lehrgeld“: Ilka Minor im „Dakar-Fieber“

Bei ihrem Dakar-Debüt musste Ilka Minor „Lehrgeld“ zahlen -  für die perfektionistische WRC-Copilotin ein ungewohnter Prozess. Doch nach strapaziösen und erfüllten zwölf Tagen landeten Martin Prokop und Ilka als bestes privat eingesetztes Team auf Platz elf.  Die „Königin der Marathonrallyes“ hat es der „Neo-Wüstenfüchsin“ angetan - sofort würde sie wieder antreten…

Die berühmteste Marathonrallye dieses Planeten, die Rallye Dakar, hat ihre eigenen Gesetze – man kann sich auf diesen zwölftägigen Trip durch südamerikanisches Offroad- und Wüstengelände in Theorie und Praxis auf höchst professionellem Level vorbereiten, nichts davon ersetzt die pure Erfahrung, an diesem Klassiker teilzunehmen. Das musste Dakar-Rookie Ilka Minor bei ihrem Einsatz an der Seite des tschechischen Privatiers Martin Prokop auf zum Teil schmerzhafte, sicher aber für die WRC-Proficopilotin ungewohnte Art und Weise am eigenen Leib erfahren. Denn so viel „Lehrgeld“ musste Österreichs einziger Export in der Rallye-Weltmeisterschaft schon lange nicht mehr zahlen – doch dazu später…

Zunächst nämlich, kurze Zeit nach dem Start in Paraguay gab es Grund zur Besorgnis, ob dieses große Abenteuer allzu lang andauern würde: „Die ersten Schotterprüfungen waren dermaßen schnell, dass der Motor unseres Ford Raptor überhitzte. Wir wussten nicht, ob der Motor dabei etwas abbekommen hat, da wir ziemlich lange mit überhitztem Motor gefahren sind.“ Bei der Betrachtung durch das kleine, aber feine Privatteam von Martin Prokop, MP-Sports, im abendlichen Biwak stellte sich heraus, dass der Ford Raptor F-150 unbeschadet blieb, das Abenteuer konnte also fortgesetzt werden.

Der „Pokemon Go“-Fehler

Bald schon passierte Ilka jener Fehler, der dem tschechisch-österreichischen Duo eine Strafzeit von einer Stunde einbrachte, womit man aus den Top 10 gespült wurde. Ilka erklärt: „Wir haben einen Wegpunkt verpasst. Wegpunkte sind rein virtuelle Punkte auf dem GPS, das erinnert ein bisschen an das Spiel Pokemon Go, das unlängst so viele Leute auf ihrem Handy gespielt haben.“ Mit dem großen Unterschied, dass das Auffinden der Wegpunkte unbelohnt bleibt, während das Verpassen jedoch schmerzhafte Konsequenzen hat. Wie man einen solchen Wegpunkt verpassen kann? Ilka erklärt: „Es war bei einem Flussbett, wir waren bereits sehr nahe an dem Punkt – doch hundert Meter weiter vorne war ein zweites Flussbett, da sind wir abgebogen und weiter gefahren. Das GPS hat dann gemeldet, dass wir einen Wegpunkt verpasst haben und gefragt, ob wir den überspringen wollen. Ich habe das bejaht, was der große Fehler war – ein Anfängerfehler, denn wir hätten zurückfahren müssen.“

Hier zeigt sich, wie weit Theorie und Praxis auseinanderklaffen. Denn im Zuge ihrer Vorbereitungen hat sich Ilka Minor in Berlin Tipps ihres Kollegen Timo Gottschalk geholt, der bereits zehn Jahre Dakar-Erfahrung sammeln konnte. Ilka erzählt: „Timo war mein Lehrmeister. Und er hat es mir immer wieder gesagt: ‚Fahr immer zurück zu dem Punkt, wo du hergekommen bist!‘ Dann machst du genau das nicht!“ Kurz nach dem Fehler fiel es Ilka wie Schuppen von den Augen: „Du verstehst plötzlich in der Praxis, was du in der Theorie gelernt hast. Ab diesem Zeitpunkt habe ich mir stets gesagt: ‚Lass keinen Wegpunkt mehr aus, lass keinen Wegpunkt mehr aus!‘‘“

Das „Kreuz“ der Ilka Minor?

Während Martin Prokop auf den Fehler angenehm ruhig und besonnen reagierte („Er war zu keinem Zeitpunkt sauer deshalb – wohl auch, weil er wusste, dass Rookies Lehrgeld bezahlen“), musste Ilka Minor mit dieser ungewohnten Situation klarkommen: „Ich bin Perfektionist, ich möchte keine Fehler machen! In der Rallye-Weltmeisterschaft gelingt mir das auch.“

Kann man sich Ilka Minor ab diesem Zeitpunkt vorstellen wie in jener christlichen Überlieferung,  in der ein Zimmermann namens „Jesus“ ein großes Kreuz auf seinen Schultern tragen musste? Ilka lacht: „Das mit Jesus ist schon so lange her, das weiß ich nicht. Aber: Zunächst hätte ich am liebsten meine Sachen gepackt und wäre heimgeflogen, so sauer war ich auf mich selber! Danach lastete schon eine gewisse Last auf meinen Schultern  – ich habe mir jeden Tag gedacht: ‚Hoffentlich passiert mir heute nicht wieder was!‘ In der WRC ist es von den Gegebenheiten her so, dass der größere Anteil der Fehler, Fahrfehler sind – es war einfach sehr ungewohnt, dass auf einmal du derjenige bist, der die größere Verantwortung dafür trägt. Ich habe dann aber auch gesehen, dass es Offroad-Proficopiloten gibt, denen das ebenfalls passiert und dass diese Fehler dazugehören.“ Ilka muss lachen: „Bei manchen Wegpunkten hast du die skurrile Situation, dass fünf Autos und zehn Bikes umher cruisen, weil sie einen Punkt suchen, den es nur virtuell gibt…“

I am from Austria

Nicht jedoch, weil sie höhenkrank wurden – im Vorfeld gab es Befürchtungen, dass jene sechs Tage in großer Höhenlage bis zu 4.900 Meter zur Höhenkrankheit führen könnten, doch Ilka winkt ab: „Das hat zum Glück niemandem etwas ausgemacht – nur ein paar Teilnehmer haben ein wenig darunter gelitten.“

Aus dem Ruhetag wurden wegen der Absage einer Stage gleich zwei Ruhetage, die Motivation ging zu keinem Zeitpunkt verloren – im Gegenteil: „Der Ruhetag wurde in Bolivien, in der Stadt La Paz abgehalten. Diese Stadt liegt auf 3.200 Meter Seehöhe in einer Mulde und erstreckt sich dann hinauf bis auf 4.100 Meter. Da kann man mit einer Seilbahn hochfahren, was wir getan haben – dort wurden wir gefragt, woher wir kommen – I am from Austria – und  da stellte sich heraus, dass auch die Seilbahn von der österreichischen Firma Doppelmayr gebaut wurde.“

Zwischenmenschliche Hilfestellung gab es für jenen tschechischen Biker, der Martin Prokop und Ilka Minor um Support bat: „Er ist im Ziel der Stage gestürzt, dabei hat es einen Lenker abgerissen, womit auch das Kupplungsseil gekappt wurde und er das Bike nicht mehr starten konnte – wir haben ihn bis ins nächste Biwak abgeschleppt.“

20 harte &  1 sehr harte Nacht

In diesen Biwaks verbrachte Ilka Minor 20 Nächte in einem Wohnmobil – nur eine Nacht, nämlich jene zwischen den beiden „Marathontagen“ verbrachte sie in einem Hotel nahe des Biwaks. Ilka erzählt: „Das Hotel muss man sich auch sehr reduziert vorstellen – an den Marathontagen hatten wir im Biwak nichts außer uns selbst, sonst war da stets das Team, das den Wagen wieder flott machte.“

Nach den Marathontagen musste wegen eines Erdrutsches eine weitere Etappe abgesagt werden: „Ein Teil des Feldes konnte noch die Originalroute fahren, wir kamen nicht mehr dazu. Unsere Leute sagten, dass es 100 Kilometer weiter vorne bereits einen Stau gibt – für diese Ausweichroute, sie war 330 Kilometer lang, benötigte unser Team sechs Stunden, weil die Straße in einem dermaßen schlechten Zustand war. Für uns im Raptor war es nicht weiter tragisch – der nächste Tag musste jedoch abgesagt werden und wir mussten 1.000 Kilometer bis zum nächsten Biwak zurücklegen. Dort angekommen, hatten wir außer unserem Auto nichts. Also haben wir zunächst im Auto geschlafen, später, als der Racetruck ankam, haben wir in dem weiter geschlafen und als schließlich um 3 Uhr morgens das Wohnmobil ankam, konnten wir dort , an unserem gewohnten Platz weiterschlafen. Das war eine anstrengende Nacht.“

Auf sie folgte ein „letzter schwieriger Tag“, wie es Ilka formuliert: „Da gab es eine Prüfung, in der viele, auch viele professionelle Offroad-Beifahrer einen Wegpunkt suchten und dafür viel Zeit benötigten, wir haben dafür 20 Minuten gebraucht. Nach diesem Tag waren die Prüfungen wieder eher so, wie ich sie von der WRC her gewöhnt bin, es gab nicht so viele Offroad-Passagen.“ Eine letzte Anstrengung waren schließlich noch 670 Kilometer an Verbindungsetappe ins Ziel – wird da viel geplaudert im Auto? Ilka schüttelt den Kopf: „Martin und ich sind beide eher ruhige Menschen – da plaudert man mal ein bisschen und dann ist es wieder eine ganze Weile lang ruhig.“

Respect to the team

Am Ende gab es die große Belohnung, denn Martin Prokop und Ilka Minor konnten die Rallye Dakar auf Platz 11 als bestes privat eingesetztes Team beenden. Ilka sagt: „Es hat menschlich super gepasst, Martin und das gesamte Team waren stets fröhlich und zu Scherzen aufgelegt. Vor diesem kleinen Privatteam kann man ohnehin nur den Hut ziehen – sie haben den Ford Raptor erst im Juli des Vorjahres erhalten und mussten ihn so weit bringen, dass der Wagen eine dermaßen lange Rallye durchhält, und das Auto lief völlig problemlos. Großer Respekt auch an die Mechaniker, die stets nachts zu arbeiten hatten und ja dann ebenfalls zum nächsten Biwak fahren mussten und also nur wenig Schlaf hatten. Dieses Team ist wirklich großartig, es gab zu keinem Zeitpunkt irgendeine Verstimmung, trotz dieser großen Strapazen.“

Auch für Ilka selbst waren die 20 Nächte im Wohnmobil ungewohnt: „Martin und ich hatten da drin jeder seinen Bereich – man ist dennoch eingeschränkt, aber es lief alles reibungslos. Sicher: Nachdem ich zuhause ankam, war das Schönste die Dusche! Nämlich, dass man daheim nicht mit dem Wasser haushalten muss…“

Hand aufs Herz – welche Disziplin gefällt Ilka besser: WRC oder Offroad? Ilka antwortet: „Das kannst du nicht miteinander vergleichen – das ist wie Äpfel und Birnen. Im Offroadsport ist der Teamspirit noch größer, weil du viel mehr Zeit miteinander verbringst. Aber mir gefällt beides sehr gut.“ Und möchte Ilka Minor auch die Dakar 2018 bestreiten? Ilka nickt: „Klar – wenn ich wieder die Möglichkeit bekomme…“

Rallye Dakar: Bericht

01. - 14. Jänner 2017
Stnr. 321: Martin Prokop (CZE)/Ilka Minor (AUT) Ford F150 Raptor, Platz 11

Ilkas größtes Abenteuer hat schon begonnen

Ilka Minor hat bei 223 internationalen Rallyeeinsätzen wahrlich viel erlebt. Doch am 2. Jänner beginnt für sie das wohl größte Abenteuer – als Copilotin von Martin Prokop gibt Ilka ihr Debüt bei der weltberühmten Rallye Dakar.

125 Weltmeisterschafts-Rallyes, insgesamt bereits 223 Gesamtstarts im Rallyesport – mit dieser beeindruckenden Zwischenbilanz ihrer internationalen Karriere als Rallyecopilotin begibt sich Ilka Minor dieser Tage auf ein ihr bislang völlig unbekanntes Terrain: Die 41-jährige in Wien lebende Kärntnerin wird an der Seite des Tschechen Martin Prokop ihr Debüt bei der weltberühmten Rallye Dakar geben, die von 2. bis 14. Jänner in Südamerika abgehalten wird und als „Königin“ aller Marathonrallyes gilt.

„Österreichergipfel“ im Biwak

Ein Jahrzehnt nach dem Start des ehemaligen Rallye-Kollegen Raphael Sperrer ist Österreich nun wieder im Feld der Dakar-Autos vertreten. Martin Prokop und Ilka Minor zünden mit Startnummer 321 einen Ford F150 Raptor, der vom privaten Team des erfolgreichen WRC-Privatiers eingesetzt wird. Bei den Bikes hält mit Matthias Walkner ein weiterer Pilot die österreichischen Fahnen hoch. Gab es im Vorfeld der schwierigen Wüstenrallye eine Kontaktaufnahme der beiden einzigen Österreicher? Ilka Minor lacht: „Vielleicht hätten wir miteinander telefoniert – wenn wir uns kennen würden.“ Sie habe den KTM-Werkspiloten nur einmal aus der Ferne gesehen, sagt Ilka, und fügt hinzu: „Ich denke mal, dass wir uns an einem der Abende im großen Biwak über den Weg laufen werden, in dem der gesamte Dakar-Tross übernachten wird. Es ist immer nett, wenn man so weit weg von daheim mit Landsleuten plaudern kann.“

Giftschlangen & Riesenspinnen

Das Biwak ist quasi die mitrollende Basis der Rallye Dakar – in dem riesigen Lager wird auch jenes Wohnmobil stehen, in dem Ilka Minor und Martin Prokop nächtigen werden. Weil dort nur begrenzt Platz vorhanden ist, müssen die Mechaniker der Prokop-Crew wie viele andere auch mit Zelten Vorlieb nehmen. An sich keine Schreckensvision – doch die Dakar wird heuer erstmals in Paraguay gestartet. Womit den „Jungs, die im Zelt schlafen müssen“ eine weniger erholsame Nacht drohen könnte, Ilka erklärt: „Dort soll es sehr viele Giftschlangen und auch große Spinnen geben.“ Mit einem Augenzwinkern fügt Ilka hinzu: „Die Bildersuche im Internet wirkt wenig beruhigend.“ Die mit 39 SP-Kilometern relativ kurze Eröffnungsetappe könnte also für manche im Tross nicht die einzige „heiße Action“ des ersten Tages bleiben…

Am zweiten Tag werden bereits 275 Prüfungskilometer absolviert, die SP-Längen werden im weiteren Verlauf der Rallye bis auf 500 SP-Kilometer gesteigert, am längsten Tag werden beinahe 1.000 Kilometer zurückgelegt, davon 406 im SP-Modus. Ilka Minor gibt offen zu: „Ich bin noch nie so lange in einem Wettbewerbsauto gesessen. Die Sitze sind ganz ähnlich wie im Rallyeauto – nur dass der Schalensitz kleinere Ohren hat, weil du sonst zu oft mit dem Helm anschlagen würdest. Außerdem hast du eine andere Sitzposition, weil du ja in die Ferne schauen und gemeinsam mit dem Fahrer eventuelle Gefahren erkennen sollst. 

Seekrank in der Wüste

Wer schon einmal die Erfahrung machen durfte, mit einem starken und großzügig gefederten Gefährt in der Wüste steilste Dünen hinauf- und hinab zu „erklimmen“, wird wohl zustimmend nicken, wenn Ilka erzählt: „Du siehst oft nur noch den Himmel, so steil geht es bergauf, dann geht es im Sturzflug hinunter – dabei kann man nicht nur die Orientierung verlieren, sondern auch seekrank werden. Bei der Abu Dhabi Desert Challenge wurden heuer zahlreiche Piloten seekrank – das kann so weit gehen, dass man deshalb die Rallye aufgeben muss. Zum Glück hat unser Team einen Wüstentest absolviert, sodass wir uns ein wenig darauf einstellen konnten.“

Zumal in der Wüste ohnehin alles anders ist: Eine Besichtigung, wie bei den herkömmlichen Rallye üblich, gibt es freilich nicht. Das Roadbook ist die „Bibel“ des Raid-Copiloten, in Kombination mit einem mit Display ausgestatteten Kästchen. Die Vorstellung, Ilka Minor würde mit einem analogen Kompass auf dem „heißen Sitz“ den Weg durch die Wüste ausforschen, kann man getrost für immer verwerfen – vielmehr erinnert das Szenario an Computerspiele. Ilka erläutert: „Du fährst im Roadbook Wegpunkte ab, eine mit Kompass ausgestattete GPS-Box zeigt dir am Display bestimmte Infos an. Es gibt offene Wegpunkte: Dabei zeigt dir die GPS-Box eine Kompassnadel, einen Pfeil an, der die Richtung vorgibt - wenn du den Punkt erfasst hast, ertönt ein Signalton. Bei den versteckten Wegpunkten verschwindet der Pfeil – stattdessen wird eine Zahl, werden Kompassgrade angezeigt, da ist es dann schon schwieriger, die korrekte Richtung zu halten. Sobald du im Umkreis von 800 Metern eines versteckten Wegpunktes bist, kehrt auf dem Display der Kompass zurück.“ Der erwähnte analoge Kompass ist übrigens ebenso verboten wie beispielsweise Smartphones und damit einhergehende Kompass-Applikationen. Dafür wiederum findet man im Raptor von Prokop und Minor ein altes Satellitentelefon in bester „Knight Rider“-Optik. Ilka: „Das alte Satellitentelefon ist erlaubt – zumal du mit dem normalen Handy ohnehin kaum Empfang hast, während der Satellit ungestört erreicht werden kann.“ Darauf basiert auch jene Art „Blackbox“, mit der die Teilnehmer Infos an die Rennleitung senden können: „Bei einem Crash drückst du den roten Knopf, wenn jemand verletzt ist. Grün bedeutet Crash ohne Verletzte. Blau bedeutet, dass man stoppt, um einem anderen Teilnehmer zu helfen.“

Höhenkrank über 4.000 Meter

Sollte man andere Teilnehmer vor dem Traualtar einander das „Jawort“ gebend erblicken, könnte jener Fall eingetroffen sein, der dem Dakar-Tross zumindest theoretisch gleich ab der dritten Etappe droht: die berüchtigte Höhenkrankheit. Denn gleich am dritten Tag wird in Bolivien von runden 300 Metern Seehöhe auf eine Höhe von über 4.000 Metern „übersiedelt“. Ganze sechs Tage verbringt das Feld in diesen luftigen Höhen bis hin zu 4.900 Meter. Die Gefahr der Höhenkrankheit ist den Dakar-Teilnehmern bewusst. So haben Martin Prokop, dessen Freundin und Ilka Minor wegen dieser Gefahr in Colorado/USA extra ein spezielles Fitnesstraining über 2.500 Metern Seehöhe absolviert. Ilka berichtet: „Wir waren 15 Tage zusammen unterwegs, um uns annähernd auf die Bedingungen in Bolivien einstellen zu können. Das war zugleich auch ein guter Test, ob wir es menschlich so lange auf engstem Raum miteinander aushalten. Und dabei gab es überhaupt keine Probleme. Martin war immer gut aufgelegt und fröhlich, zugleich aber in hohem Maße fokussiert. Martin wirkt rein äußerlich immer recht gemütlich – doch er ist gut trainiert und eine harte Nuss.“

„Glaube nicht an den Yeti“

Ilka Minor, die als diplomierter „Professional Health Fitness & Personaltrainer“ sowie als „Functional Strength Master Trainer“ tätig und ebenfalls in Topform ist, rechnet an jenen sechs Tagen über 4.000 Metern Seehöhe mit hohen körperlichen Belastungen. Zumal sie selbst trotz ihrer ausgezeichneten Kondition beim Fitnesstraining über 2.500 Meter Seehöhe einen „Ruhe-Nachmittag“ einlegen musste. Ilka erklärt: „Du musst viel Flüssigkeit zu dir nehmen - so kannst du Probleme vermeiden.“ Völlig gefeit sei jedoch keiner vor der Gefahr einer Höhenkrankheit. Mit einem bösen Schmunzeln fügt Ilka hinzu: „So mancher hat in derartigen Höhenlagen sogar einen Yeti gesehen. Ich persönlich glaube jedoch nicht an die Existenz von Yetis, den gibt es in meinen Augen nur bei Skoda. Wenn ich also einen erblicken sollte, weiß ich, was ich zu tun habe.“ Wird man also an jenen sechs Tagen Worte und Mimik des Teamkollegen mit noch mehr Aufmerksamkeit studieren, um eine aufkeimende Höhenkrankheit so früh wie möglich erkennen zu können? Oder andersrum gefragt: Was würde Ilka tun, sollte Martin Prokop auf einmal etwas Seltsames sagen? Ilka lacht. Und sagt: „Natürlich würde ich versuchen, herauszufinden, ob es besorgniserregend ist – aber umgekehrt wäre es ja genauso, wenn ich auf einmal verrücktes Zeug von mir geben sollte.“

Ruhetag als Gefahr

Was es nicht einfacher macht ist der Umstand, dass auch der Ruhetag in jene Zeit fällt, in der das Feld in besagten Höhenlagen über 4.000 Metern verbringt. Denn ausgerechnet der Ruhetag könnte dem einen oder anderen Teilnehmer zum Problem werden. Ilka erklärt den Hintergrund: „Mir haben viele Piloten mit Dakar-Erfahrung erklärt, dass der Ruhetag sogar das Schlimmste ist. Es ist so: Bei den herkömmlichen Sprintrallyes, die ich bisher gefahren bin, hast du einen so hohen Adrenalinspiegel, dass du dich über die Dauer der Rallye mühelos fit halten kannst – oft ist es dann so, dass du über die Ziellinie fährst und dann plötzlich müde wirst. Bei der Rallye Dakar birgt der Ruhetag die Gefahr in sich, dass es dir am nächsten Tag schwer fällt, dich wieder zu motivieren. Daher werde ich versuchen, mich am Ruhetag in Schwung zu halten. Wie das in 4.000 Metern Seehöhe funktioniert, ist eines der vielen Fragezeichen, die mein Dakar-Debüt begleiten.“ Dass man den Schwung mit Interviews zur Halbzeitführung sehr gut aufrechterhalten könnte, bringt Ilka erneut zum Lachen: „Sicher, das wäre natürlich die allerbeste Motivation, in Schwung zu bleiben….“

Wenn dann der Tross aus Autos, Bikes, Quads und Trucks vom Berg „hinabsteigt“, um in Argentinien die letzten Etappen zu bestreiten, stellt zumindest die Landschaft etwas Vertrautes für Ilka dar: „Da fahren wir in jener Gegend, in der die Prüfungen der Argentinien-Rallye gefahren wurden.“ Dort immerhin konnte sie 2013 mit Evgeny Novikov den guten vierten Platz erringen.

Ziel als Ziel

Für ihre Dakar-Premiere hat Ilka Minor ganz bewusst auf jedes Spekulieren mit einer konkreten Platzierung verzichtet: „Für mich ist es die erste Dakar und da ist ganz einfach nur das Ziel das Ziel. Es wäre schön, wenn ich meine erste Dakar durchfahren könnte.“ Diese Hoffnung besteht – denn die ersehnte Zielankunft ist Martin Prokop im Vorjahr bei dessen Dakar-Debüt auf Anhieb gelungen, der Tscheche belegte am Ende Platz 14. Und auch im Vorjahr war die Nennliste der weltberühmten Wüstenrallye gespickt mit bekannten Namen aus der Rallye-Weltmeisterschaft – Sebastien Loeb, Mikko Hirvonen, Carlos Sainz oder Xavier Pons, um nur einige zu nennen, sind auch heuer wieder dabei. Neben den Dakar-Profis wie Stephane Peterhansel. Nani Roma oder Giniel de Villiers zählt vor allem Allroundgenie Nasser Al-Attiyah zu den absoluten Topfavoriten. Über ihn sagt Ilka: „Er ist unter normalen Umständen nur ganz schwer zu biegen.“

Abschließend zieht Ilka Minor vor ihrem ersten Dakar-Abenteuer eine extrem kurze, dafür aber punktgenaue Bilanz ihrer Vorbereitungen: „Ich bin theoretisch sehr gut auf meine erste Rallye Dakar vorbereitet – in der Praxis jedoch weiß ich nicht, ob ich in der Lage sein werde, all die Erkenntnisse auch umzusetzen. Martin ist ein ausgeglichener Pilot und sein privates Team ist klein aber fein.“

Stichwort „fein“: Gefreut hat sich Ilka Minor über das Interesse der heimischen Tagesmedien an ihrem bevorstehenden Dakar-Debüt: „Die ‚Kronen Zeitung‘ muss man ja prinzipiell loben, denn sie berichtet so viel wie keine andere Tageszeitung über die Einsätze heimischer Motorsportler. Doch diesmal haben sich auch die Qualitätszeitungen ‚Der Standard‘ und ‚Die Presse‘ bei mir gemeldet, bei ihnen ist es nicht so selbstverständlich, dass sie Motorsport bringen. ‚Die Presse‘ brachte am 24.12. eine wirklich nette Story.“

„Da ist es, so denke ich, doch okay, wenn man einfach mal ‚Danke‘ sagt“, sprach Ilka Minor am Nachmittag des 27. Dezember, ehe sie die Fahrt nach Schwechat in Angriff nahm, um dorthin zu fliegen, wo das größte Abenteuer ihrer Karriere lockt…