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WRC, Finnland-Rallye

28. bis 31. Juli 2016
Stnr. 46: Henning Solberg (NOR)/Ilka Minor (AUT) Ford Fiesta R5
Platz 4

JUNGBRUNNEN R5

Bei der finnischen Kultrallye wechselten Henning Solberg und Ilka Minor in die zweithöchste WM-Liga, um dort im ungewohnten Ford Fiesta R5 gegen die „jungen Wilden“ anzutreten. Das Abenteuer WRC2 wurde für Henning zu einer Art „Jungbrunnen“ – wie schon öfter in seiner Karriere musste er seinen Fahrstil anpassen. Ein Servo-Defekt am Sonntagmorgen störte den Lernprozess, dafür trug ausgerechnet der Abflug von Stiefsohn Pontus Tidemand zur Platzverbesserung bei…

Ilka Minor blickt auf eine spannende Woche zurück. Bei der weltberühmten Finnland-Rallye begaben sich die in Wien lebende Kärntnerin und ihr norwegischer Chauffeur Henning Solberg in ein neues, ein ungewohntes Terrain: Die beiden zündeten einen Ford Fiesta R5 und traten damit in der zweithöchsten Liga der Rallye-Weltmeisterschaft, der WRC2 an.

Dort tummeln sich in erster Linie jene Jungpiloten, die sich für ein Cockpit in der Königsklasse WRC empfehlen wollen. Skoda ist mit zwei Werksautos vertreten, M-Sport setzt mit Elfyn Evans ganz bewusst einen jungen Fahrer ein, der bereits WRC-Erfahrung aufweist. Ilka Minor erklärt: „Das sind lauter Youngsters, die richtig schnell unterwegs sind! Und sie können bereits auf Erfahrungswerte im R5 zurückgreifen.“

Eröffnet wurde die „finnische Woche“ per Zufall mit einem gemeinsamen Abendessen mit der deutschen Reporterlegende Reiner Kuhn. Ilka lacht: „Wir sind uns zufällig über den Weg gelaufen, Reiner hat uns den gesamten Abend über mit seinen jüngsten Storys aus der internationalen Rallyeszene versorgt.“

Solberg-Family stark vertreten

FIN Solberg 2016 19Immerhin konnte sie seine Worte verstehen – ein Luxus, den es nicht immer gibt. Denn an manchen Abenden wird Ilka Minor kurzerhand von der Solberg-Familie „adoptiert“ – und die ist zurzeit gut vertreten in der Weltmeisterschaft: In der WRC2 zählt Hennings Stiefsohn Pontus Tidemand im Werks-Skoda zu den absoluten Topfavoriten, zudem startet sein jüngster Sohn Oscar Solberg im Ford Fiesta R2 Cup. Mit dabei sind auch stets Maud Solberg, die Ehefrau von Henning, Tochter Olivia und Thomas, Ex-Gatte von Maud und leiblicher Vater von Pontus. Ilka erzählt: „Da wird verständlicherweise in Norwegisch diskutiert und da freue ich mich dann schon, wenn es ein WLAN gibt, denn ich verstehe natürlich kein Wort.“

Nicht verstehen konnte Ilka auch die Parolen jener rund 150 Finnen, die im Vorfeld eine Demonstration gegen die Abhaltung der Finnland-Rallye veranstaltet haben. Die „Mini-Demo“ sorgte bei Fans und Aktiven eher für sanftes Schmunzeln – schließlich genießt der Rallyesport in diesem Land einen hohen Status. Ilka: „Die Demonstranten machten sich nicht unbedingt beliebt – einer der Polizisten war richtig sauer und meinte, das seien Loser…“

Rätselhafter Zeitverlust

Keine Loser waren Henning Solberg und Ilka Minor beim Shakedown. Bei dieser ersten Vergleichsmöglichkeit mit der neuen WRC2-Konkurrenz sorgte die drittschnellste Zeit für Optimismus: „Wir haben ja einen Podiumsplatz angestrebt und der Shakedown hat uns natürlich Mut gemacht.“

Die ersten Sonderprüfungen jedoch brachten Ernüchterung ins goldfarbene Cockpit: „Wir hatten ein gutes Gefühl auf den Prüfungen, doch die Zeiten haben dem nicht entsprochen, unser Rückstand auf die WRC2-Spitze war dann doch höher, als wir es erwartet haben. Vor allem aber wussten wir zunächst nicht, wo wir die Zeit verlieren. Eine Setupänderung brachte zwar einen Fortschritt, doch der war dann doch zu gering. Ich habe vermutet, dass es nicht nur am Setup lag, sondern dass Henning wohl seinen Fahrstil ändern muss.“

Datenvergleich bringt Licht ins Dunkel

Dass diese Vermutung richtig war, offenbarte ein Vergleich mit den Daten von M-Sport-Teamkollege Elfyn Evans, der am Samstagmorgen vorgenommen wurde. Ilka erklärt: „Es war deutlich zu erkennen, dass wir die Zeit in engen Kurven verlieren. In einem starken World Rally Car kannst du am Kurvenausgang wegen dem hohen Drehmoment schnell wieder in die Gänge kommen – im R5 musst du möglichst viel Speed in die Kurven mitnehmen, du musst rund fahren. In den langgezogenen, den richtig schnellen Kurven hingegen lagen wir stets bei der Musik.“

Mitbewerber, die seine Söhne sein könnten – und beim eigenen Fahrstil eine Änderung vornehmen, einen gefragten Fahrstil erlernen oder wiedererlernen: Für Henning Solberg war der Wechsel in ein R5-Auto so etwas wie ein „Jungbrunnen“. Ilka erklärt: „Henning konnte bereits Fortschritte erzielen, da ist aber noch Luft nach oben.“ Am Sonntag nämlich wurde der Fortschritt von der Technik eingeschränkt: „Ab der zweiten Sonntagsprüfung fiel die Servolenkung aus, somit mussten wir drei Prüfungen am Stück ohne Servo fahren. Aus eigener Kraft hätten wir uns ganz sicher nicht mehr verbessern können.“

Dramatischer WRC2-Showdown

Dass aus dem sechsten Platz am Ende Platz vier der WRC2 wurde, lag an den Ausfällen zweier „junger Wilder“: Karl Kruuda und Pontus Tidemand. Wobei vor allem der heftige Abflug seines Stiefsohns verständlicherweise für Aufregung bei Henning Solberg sorgte. Ilka schildert die dramatischen Sekunden vor der letzten Prüfung: „Der Abflug von Pontus war wirklich heavy – er wollte noch die 3,8 Sekunden auf Platz zwei aufholen. Wir sind vor dem Start zusammengestanden und haben am Handy das Live-TV angesehen – man konnte sehen, dass Henning sehr nervös wurde, als er die Livebilder sah. Glücklicherweise wurde noch vor unserem Start klar, dass Pontus und sein Copilot unverletzt sind.“

Doch ohne Servolenkung wurde der Rückstand auf die WRC2-Spitze an diesem Sonntagvormittag mit jeder Prüfung höher – der begonnene Lernprozess bei der Fahrstilanpassung ist noch im Gange: „Henning und ich fuhren schon vor sechs Jahren mit einem S2000, wo du ebenfalls rund fahren musst. Die Umstellung ist ihm damals sehr gut gelungen – ich denke, dass er das auch diesmal wieder schaffen wird.“

28.07.2016

WRC, Finnland-Rallye: Vorschau
01. bis 31. Juli 2016
Stnr. 46: Henning Solberg (NOR)/Ilka Minor (AUT) Ford Fiesta R5

EINE NEUE HERAUSFORDERUNG

Henning Solberg und Ilka Minor treten bei der Finnland-Rallye zum ersten Mal in einem Ford Fiesta R5 an und treffen im 20 Teams großen Feld der WRC2 auf einige starke Piloten.

Henning Solberg und Ilka Minor werden bei der bevorstehenden Finnland-Rallye in einen R5-Boliden wechseln, sie pilotieren einen Ford Fiesta R5 aus dem Hause M-Sport. Bei den World Rally Cars waren Solberg/Minor zuletzt im Grunde ohne Konkurrenz, denn Privatiers gibt es zurzeit kaum noch in der WRC, zumal das aktuelle World Rally Car heuer ausläuft und im kommenden Jahr von einem neuen WRC-Reglement abgelöst wird.

Im 20 Teams starken Feld der WRC2 treffen Henning Solberg und Ilka Minor auf zahlreiche starke Piloten. Welche Gegner schätzt Ilka besonders stark ein? Die in Wien lebende Kärntnerin ist überzeugt: „Die finnischen Piloten sind ganz sicher am schwierigsten zu schlagen, zudem setzt Skoda zwei Werksautos ein. Mit Pontus Tidemand fährt ja auch Hennings Stiefsohn einen Skoda Fabia R5.“

Starkes WRC2-Feld

Die finnischen Piloten profitieren naturgemäß von einem Heimvorteil. Dabei sind viele der Sonderprüfungen heuer neu: „Es gibt relativ viele neue Strecken und es gibt einige Prüfungen, die heuer gegen die Fahrtrichtung gefahren werden. Die kultige Sonderprüfung Ouninpohja beispielsweise wird in die Gegenrichtung gefahren, das hat man zuletzt 2008 getan – da war ich aber nicht am Start.“

Siebenmal startete Ilka Minor in ihrer langen Karriere bereits auf den legendären Schotterprüfungen, 2013 landete sie mit Evgeny Novikov auf Platz sechs, mit Henning Solberg belegte sie 2011 Platz sieben und 2014 Platz neun.

Podium? „Sicher erhofft man es!“

Welche Erwartungen hat man im Feld der WRC2? Ist ein Podiumsplatz möglich? Ilka antwortet: „Natürlich erhofft man sich einen Podiumsplatz. Aber es ist einfach schwer einzuschätzen, da in der WRC2 viele starke Piloten am Start sind. Wir hatten am Montag einen Test, bei dem auch Karl Kruuda und Elfyn Evans gefahren sind – da waren die Zeiten ähnlich. Nur: Ein Test ist ein Test – und die Rallye ist die Rallye.“

Ist es eine große Enttäuschung, vom World Rally Car in einen R5 zu wechseln? Ilka lacht: „Das merkt man eigentlich gar nicht. Bei unserem Test ist neben dem Service eine Gerade und ein Jump gewesen und da gab es eigentlich keinen Unterschied, wenn man die R5 mit jener Generation von World Rally Cars vergleicht, in der wir unterwegs waren. Wenn Prüfungen so schnell und flüssig sind wie in Finnland, ist der Unterschied marginal – das WRC hat auf technischen Prüfungen die besseren Karten.“

Der Ford Fiesta R5 wird wie zuletzt auch das World Rally Car in der Farbe Gold glänzen. Ilka erzählt schmunzelnd: „Weil es in Finnland verboten ist, für Glücksspiel zu werben, hat man aus dem Schriftzug von ‚Leo Vegas‘ kurzerhand das Wort ‚Lovegas‘ kreiert…“

Im hohen Norden ist es um diese Jahreszeit nur drei Stunden dunkel – von Mitternacht bis 3 Uhr am Morgen. Stört das? Ilka schüttelt den Kopf: „Dann macht man eben die Vorhänge zu.“